Zwischen Kargheit und Komplexität
Aufstellungsarbeit ist ein Gruppensimulationsverfahren, mit dem sich eine Vielzahl von Themen bearbeiten lässt. Die Methode eignet sich nicht nur für die Darstellung von Familienkonstellationen (vielfach unter dem Begriff „Familienaufstellung“ bekannt), sondern ist auch hervorragend brauchbar für die Verdeutlichung und Klärung von Fragestellungen rund um die Themen Organisation, Teams und Teamkonflikte, Entscheidungsfindung, Projektgestaltung, körperliche Symptome und Krankheiten und jede andere Art persönlicher Fragestellung. Aufstellungen ermöglichen, sich eigene Themen aus einer Außen-Perspektive anzuschauen und so neue Handlungsoptionen zu generieren, Veränderungsprozesse einzuleiten und mögliche Auswirkungen zu testen. Aufstellungen sind somit ein Impulsgeber für zukünftige Lösungen – allerdings kein Wunderlösungs- oder gar Wahrheitsfindungsinstrument!
Wie funktioniert das „Aufstellen“?
Der Klient erarbeitet mit dem Coach wesentliche Elemente seiner Fragestellung und wählt dann für diese Elemente Personen/Gegenstände aus, die von ihm im Raum platziert, d.h. "aufgestellt" werden. Er trägt damit gewissermaßen sein inneres Bild nach außen und macht das Beziehungsgeflecht zwischen den verschiedenen Aspekten sichtbar. Ziel einer solchen räumlichen Abbildung ist es, das betrachtete System zu veranschaulichen, zu untersuchen und in gewünschte Richtungen zu verändern.
Wenn mit Personen, so genannten Repräsentanten, aufgestellt wird, nehmen diese innerhalb der Aufstellung körperliche Unterschiede wahr. Diese Wahrnehmung wird als "repräsentierende Wahrnehmung" bezeichnet und ist eine grundsätzliche menschliche Fähigkeit, die mittlerweile gut erforscht und belegt ist. Repräsentierende Wahrnehmung hat nichts mit der Person des Repräsentanten selbst zu tun, sondern vielmehr mit dem Element, für das er steht (das "repräsentiert" wird) und der Struktur, in die er in der Aufstellung eingebettet ist.
Körperwahrnehmungen der Repräsentanten und deren Veränderungen werden innerhalb des Aufstellungsverlaufs immer wieder vom Gastgeber der Aufstellung erfragt. Dadurch wird eine Deutung oder inhaltliche Interpretation des Aufstellungsgeschehens durch den Gastgeber weitgehend überflüssig. Die Basis möglicher Interventionen in Richtung Lösung bilden allein die Körperwahrnehmungsveränderungen der Repräsentanten sowie die Positionierung der Elemente zueinander.
Zentrales Element jeder Aufstellung ist das Erleben und Verinnerlichen von Lösungsansätzen und neuen Perspektiven durch den Klienten. Am Ende des Prozesses tritt darum er an die Stelle seines Repräsentanten, um das nun veränderte Bild selbst körperlich zu erfahren. Auf diese Weise können sowohl auf der bewussten wie auch auf der unbewussten Ebene Veränderungspotentiale aktiviert und verankert werden.
Welche Aufstellungsmethode nutze ich?
Aufstellungsarbeit hat vielfältige Wurzeln und wird beständig weiterentwickelt. Meine Arbeit ist geprägt von der Methode der Systemischen Strukturaufstellungen, kurz SySt®, mit deren Entwicklung sich Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd in den letzten Jahrzehnten einen besonderen Namen gemacht haben.
Hervorzuheben ist bei dieser Methode die innere Haltung des Aufstellungs-Gastgebers zum Aufstellungsgeschehen: SySt® erfolgen auf Augenhöhe mit dem Klienten, sind lösungsfokussiert, wertschätzend, deutungsarm und folgen systemischen Grundprinzipien – jedoch ohne diese zu zementieren! Sie bieten eine Vielfalt an Aufstellungsformaten, folgen einer klaren Grammatik und fokussieren die Arbeit an der Syntax und Struktur – nicht dem Inhalt – eines Anliegens. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, mit Systemen jeder Art auf verschiedensten Ebenen zu arbeiten.
Als eine von ganz wenigen Methoden ermöglichen SySt® die verdeckte Arbeit, bei der die Inhalte der bearbeiteten Fragestellung nicht veröffentlicht werden müssen. Sie bieten also einerseits einen besonders geschützten Raum für das Klientensystem, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit, andere Personen in Form von Repräsentanten für eigene Schritte in Richtung Lösung zu nutzen.
Die SySt®-Methode wird von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd kontinuierlich weiterentwickelt. Mit ihrer Forschung und gelebten Interventionspraxis arbeiten beide daran, Aufstellungsarbeit zu entmystifizieren und sie zu einem theoretisch fundierten, lehr- und lernbaren Tool auszubauen. Arbeit und Haltung werden von anerkannten Größen Systemischer Therapie, wie z.B. Arist von Schlippe, Gunther Schmidt u.a. explizit als derzeitig "state of the art" betitelt.
Literaturliste
Wer mehr über Aufstellungsarbeit, Syst® und die Abgrenzung zu den Praktiken Hellingers wissen möchte, findet fundierte Informationen in folgenden Büchern.